Zusammenfassung und Verlinkungen von Martina Jäger / Stand: 30. Juli 2024
Nach Gesprächen im Vorfeld des NATO-Gipfels, der vom 9. – 11. Juli 2024 in Washington D.C. tagte, haben Deutschland und die USA eine Vereinbarung zur Stationierung weitreichender konventionell bewaffneter US-Mittel- und Langstreckenraketen auf deutschem Staatsgebiet getroffen.
Das zugleich stattfindende 75-jähriges NATO-Jubiläum fand demnach in kriegstüchtiger Bombenstimmung statt.
„75 Jahre NATO sind 75 Jahre Sicherheit, Stabilität und Frieden“, so Kanzler Scholz. (1)
Die Bundesregierung informiert (2): „ Die Vereinigten Staaten von Amerika werden, beginnend 2026, als Teil der Planung zu deren künftiger dauerhafter Stationierung, zeitweilig weitreichende Waffensysteme ihrer Multi-Domain Task Force in Deutschland stationieren. Diese konventionellen Einheiten werden bei voller Entwicklung SM-6, Tomahawks und derzeit in Entwicklung befindliche hypersonische Waffen umfassen. Diese werden über deutlich größere Reichweite als die derzeitigen landgestützten Systeme in Europa verfügen. Die Beübung dieser fortgeschrittenen Fähigkeiten verdeutlichen die Verpflichtung der Vereinigten Staaten von Amerika zur NATO sowie ihren Beitrag zur integrierten europäischen Abschreckung.“ (2)
Eine ausreichende und informative Diskussion zur Sache fand in der Öffentlichkeit nicht statt. Dass Verhandlungen und Abrüstungsverträge zur Beendigung oder Verhütung von Konflikten notwendig sind, erkennt die politischen Klasse in der USA und Deutschland nicht mehr und handelt verantwortungslos gegenüber der Bevölkerung in Europa. Geplant sind moderne Waffensysteme, die fast den gesamten europäischen Teil Russlands abdecken:
- – Tomahawk-Marschflugkörper mit einer Reichweite von über 2.000 Kilometern;
- – Ballistische Raketen vom Typ SM-6 mit einer Reichweite von weniger als tausend Kilometern, die von der Flugabwehr gegen Bodenziele umgerüstet werden;
- – Hyperschallraketen vom Typ Dark Eagle im fortgeschrittenen Entwicklungsstadium, mit hoher Geschwindigkeit, Präzision und Reichweite (mehr als 2000 Kilometer).
„Auch wenn die geplanten Flugkörper mit konventionellen Sprengköpfen ausgerüstet werden, was ihren Einsatz wahrscheinlicher macht, sind sie nuklearfähig, können also mit Atomwaffen bestückt werden.“, berichtet die Naturwissenschaftler*innen-Initiative NatWiss in einer aktuellen Erklärung. (3)
Russland reagierte bereits. Vizeaußenminister Sergej Rjabkow warnt die USA und Deutschland vor der Stationierung von Hyperschallwaffen und Tomahawk-Marschflugkörpern in Europa. Moskau werde „kompensatorische Maßnahmen“ ergreifen, sollte Deutschland „eskalierende Maßnahmen“ unter dem Vorwand der Situation in Kaliningrad einleiten. Auf die Frage nach einem möglichen Einsatz von Atomwaffen, sagte Rjabkow, er schließe „keine Optionen“ aus. (4)
In einer Flugschrift der DFG-VK Bayern (Bombenstimmung) wurde hingewiesen, dass das Abschreckungsprinzip nicht mehr in militärisch-strategische Erwägungen gezogen wird. „Lange gab es ein vermeintliches „Gleichgewicht des Schreckens“, das einen Atomkrieg zwischen NATO und Russland verhindern sollte. In der Zwischenzeit wurden aber Verträge aufgekündigt und Atomwaffen sowie Abwehrsysteme werden modernisiert. Dadurch kommt das Gleichgewicht ins Wanken und ein Atomkrieg wird wahrscheinlicher. Die atomare Abschreckung wurde bisher so gerechtfertigt: Wer angreift, hat keinen Vorteil, denn es gilt: Wer als Erster schießt, stirbt als Zweiter. Dies wurde als die „gegenseitige gesicherte Zerstörungsfähigkeit“ bezeichnet, englisch: „Mutual Assured Destruction“, kurz „MAD“ (5)
Seit Jahren spielt der Enthauptungs-, Präventiv- oder auch Erstschlag für Russland und die USA zunehmend eine Rolle und wird in Erwägung gezogen. (5) „ Mit einem Überraschungsangriff (ein „Erstschlag“ oder „Präventivschlag“) könnte der Gegner weitgehend entwaffnet und handlungsunfähig gemacht werden. Mittel des Enthauptungsschlages sind die Bomber und Marschflugkörper mit Hyperschallgeschwindigkeit und Stealth-Technik, die Abwehrsysteme zerstören bzw. überwinden können.“ Notwendig ist die Abrüstung bei Atomwaffen (DFG-VK Bayern)
Deutsche Politik kann zur Verringerung der Konfrontation beitragen (5)
Keine Modernisierung der Atomwaffen in Europa // Keine F-35 Bomber für die Luftwaffe beschaffen! // Die BRD muss die sogenannte nukleare Teilhabe beenden! // Die US-amerikanischen Atomwaffen müssen aus Deutschland abgezogen werden, wie der deutsche Bundestag bereits 2010 beschlossen hat. // Deutschland muss den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnen.
(1) https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/nato-feiert-75-jahre-2298132
(3) https://natwiss.de/keine-mittelstreckenraketen-eskalationsspirale-jetzt-beenden-und-abruesten/
(5) https://dfg-vk-bayern.de/wp-content/uploads/2023/06/230614-Bombenstimmung-neu.pdf
(6) http://www.abruesten.de/index.php?ID=7
Friedensorganisationen und Bündnisse haben bereits ablehnend reagiert:
- Nein zu US-Mittelstreckenraketen in Deutschland! | Netzwerk Friedenskooperative
- https://dfg-vk.de/stationierung-von-mittelstreckenraketen-erhoht-eskalationsgefahr
- https://www.ippnw.de/presse/artikel/de/ippnw-kritisiert-plaene-zur-stationie.html
- https://www.imi-online.de/2024/07/12/gefahr-einer-weiteren-eskalation-mit-russland (Flyer, 4 Seiten)
Weitere Informationen – Langstreckenwaffen – Juli, August:
- https://www.shz.de/deutschland-welt/politik/artikel/langstreckenraketen-in-deutschland-dark-eagle-tomahawk-und-sm-6-47412287
- USA wollen wieder Langstreckenwaffen in Deutschland stationieren – DER SPIEGEL
- Warum die USA Raketen in Deutschland stationieren – ZDFheute
- USA wollen ab 2026 in Deutschland Langstreckenwaffen stationieren (nzz.ch)
- Abschreckung gegen Russland – USA wollen ab 2026 wieder Langstreckenwaffen in Deutschland stationieren (deutschlandfunk.de)
Redaktionelle Ergänzung am 13.08.24 (Martina)