„ It’s the economy, stupid!“
Systemische Hintergründe für Aufrüstung und Krieg – Perspektiven notwendiger Transformationen
Rückblick
Am vergangenen Samstag dem 22.3.2025 begrüßte Matthias Jochheim (IPPNW) etwa 60 Teilnehmende zu einer Tagung im Frankfurter Saalbau Gutleut. Damit war dieser fast gefüllt. Die Tagung war überschrieben mit „’It’s the economy, stupid!‘ Systemische Hintergründe für Aufrüstung und Krieg – Perspektiven notwendiger Transformationen“ (vgl. jw-Interview vom 27.3.2025). Träger der Tagung waren die IPPNW-AG Süd-Nord, unsere IPPNW Regio Rhein-Main, Attac-Regionalgruppen und die BAG Globalisierung und Krieg (BAG GuK), sowie die Friedens-und Zukunftswerkstatt Ffm, die DFG-VK Frankfurt, und der SDS Frankfurt (Sozialistisch-demokratischer Studierendenverband).
Inputs lieferten die junge Doktorandin der politischen Ökonomie Aida Roumer über Videokonferenz aus Haiti, wo sie für die Rosa-Luxemburg-Stiftung gerade recherchiert, zusammen mit Hana Qetinaj (SDS FFM und Studentin der VWL), sowie Dr. Werner Rügemer, Autor zahlreicher Publikationen zu Themen in diesem Bereich.
Hier das Resümee der Resümee der Vorbereitungsgruppe (BAG GuK):
Schluss mit den Hunderten von Milliarden für Aufrüstung und Krieg – für eine anti-imperialistische Weltwirtschaftsordnung, die eine friedliche Koexistenz aller Völker und Nationen ermöglicht!
Frankfurt am Main gilt mit der Europäischen Zentralbank und der Deutschen Bundesbank als zentraler Ort der staatlichen Finanzplanung in Deutschland und der EU. Dort hat am Wochenende eine Tagung stattgefunden, die sich mit den brandgefährlichen Wirkungen der aktuellen Wirtschaftsplanungen befasst hat – von etlichen Experten als Kriegs- oder Rüstungs-Keynesianismus beschrieben.
Ausrichtende waren die Bundesweite AG Globalisierung und Krieg (BAG GuK), die ärztliche Friedensorganisation IPPNW, mehrere Attac-Regionalgruppen sowie der der Sozialistische Demokratische Studierendenverband (SDS) Frankfurt.
Themen waren die massive Aufrüstung, Kriegsvorbereitungen und Kriegsführung von Osteuropa/Ukraine und Westasien/Palästina.
Mittels „Rüstungskeynesianismus“, also einer staatlichen Politik der Konjunkturförderung durch kreditfinanzierte massive Aufrüstung eine wirtschaftliche Belebung herbeiführen zu wollen, wurde kritisch bewertet.
Der Publizist und Wissenschaftler Dr. Werner Rügemer kam dabei mit der jungen Forscherin Aida Roumer (Rosa-Luxemburg-Stiftung) zusammen, die aus Haiti per Video zugeschaltet war.
Es wurde festgestellt, dass sich aktuell die europäischen Staaten vom neolibarelen Mantra gegen Schuldenfinanzierung abwenden. Mit Krediten in vielfacher Höhe des Bundeshaushalts soll nun vor allem die “Kriegstüchtigkeit” finanziert werden. Diese soll laut US-Verteidigungsminister Hegseth dazu dienen, die Ziele der USA zur Behauptung und Erweiterung ihrer strategischen Einfluss-Sphäre nicht nur in der Ukraine, sondern global und insbesondere gegen dem größten Konkurrenten China zu unterstützen.
Diese Politik wurde vehement kritisiert, insbesondere weil sie mit einem radikalen Sozialabbau gegenfinanziert werde.
Zum Abschluss vereinbarten die Teilnehmenden, den Aufruf zur Demonstration am 29.3. gegen die Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen vor der US-Kommandozentrale in Wiesbaden zu unterstützen und für die Ostermärsche zu mobilisieren.
Matthias Jochheim, der die Tagung initiiert und die Planung maßgeblich mitgestaltet hatte, resümierte abschließend dazu: „Hier wurde ein noch zu wenig diskutiertes Thema aufgegriffen, das bei einer einzelnen Tagung natürlich erst nur erschlossen, aber längst noch nicht hinreichend geklärt werden kann. Die ebenso komplexe wie bedrohliche Gemengelage von Wirtschaftskrise und globalen Machtrivalitäten macht weitere intensive Untersuchungen und Debatten dringend erforderlich, um Strategien zu entwickeln, die dem Anspruch einer kausalen Therapie genügen können.„
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Programm:
11.00 Uhr Begrüßung, Vorstellung des geplanten Ablaufs
11.15 Uhr Prof. Frank Deppe, Marburg (hat abgesagt) :
Autoritärer Kapitalismus –Aufwertung des Nationalismus , repressive Maßnahmen gegen Ausländer und Migranten
12.30 Uhr Dr. Werner Rügemer, Publizist/interventionist. Philosoph:
Europäische Union: Ausweg aus dem gefährlichen Vasallen-Status
13.45 -14.15 Uhr Mittagspause
14.15 Uhr Aïda Roumer, RLS FFM, promoviert zur Politischen Ökonomie:
Militärkeynesianismus – Kriegswirtschaft als Lösung?
Moderation: Hana Qetinaj (SDS FFM und Studentin der VWL)
15.15 – 15.30 Uhr kurze Pause
15.30 – 17.30 Uhr Abschlussplenum – Generaldebatte:
Anforderungen an eine demokratische und friedensfähige Wirtschaftspolitik
(Podium der Referent:innen und Auditorium)
Aus dem Einladungstext (hier im pdf-Format):
Es ist weitgehend unbestritten: Wir durchleben aktuell eine mehrdimensionale globale Krise, die durch gleichzeitige Kriege in mehreren Weltregionen geprägt ist.1 In Westasien/Nahost und in der Ukraine ist Deutschland durch massive Waffenlieferungen direkt beteiligt. Hunderttausende von Menschen sind durch gewaltsamen Tod, schwere Verwundungen und Vertreibung jetzt schon Opfer. Es droht weitere Eskalation, im Fall der Ukraine bis hin zum Einsatz von Nuklearwaffen durch die atomaren Supermächte, im Fall Palästinas durch weitere Massaker und Vertreibungen bis hin zur nachhaltigen Zerstörung der Lebensgrundlagen in besetzten Gebieten.
Diese Entwicklung wird vor dem Hintergrund einer globalen ökologischen Krise vorangetrieben. Für die Zukunft ist eine weitere Steigerung insbesondere klimatisch verursachter Katastrophen zu erwarten, wenn die globalen Anstrengungen nicht endlich die Bekämpfung der menschengemachten Ursachen in den Mittelpunkt stellen. Kriege gelten dabei als zentral.
Statt der Pflege und Instrumentalisierung von Feindbildern wollen wir uns bei dieser Tagung auf die systemischen, strukturellen Ursachen der desaströsen Entwicklungen fokussieren: insbesondere eben auf die ökonomischen Verhältnisse, welche die Produktion und den Handel mit Waffensystemen zu einem blühenden Geschäft mit ausgeprägten Steigerungsraten haben werden lassen. Statt ernsthaft eine wirksame Politik weg von der Kriegslogik – hin zur Logik der Diplomatie – zu entwickeln, fordert die Regierung der USA – der größten militärischen Weltmacht – nun sogar eine Verdoppelung der ohnehin exorbitanten Rüstungsausgaben der NATO-Staaten auf 5 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes.2 Dabei ist die Bewaffnung und personelle Stärke der NATO schon heute der russischen Streitmacht weit überlegen. Das hat auch eine „Greenpeace“-Studie erst unlängst dokumentiert.3
Der „militärisch-industrielle Komplex“4 scheint nicht nur in den USA stärker denn je.
Mit der von Kanzler Scholz ausgerufenen und von weiten Teilen der Opposition unterstützten „Zeitenwende“ wird eine deutsche „Kriegstüchtigkeit“ propagandistisch hochgejazzt.7
Wir wollen auf unserer Tagung sachlich fundierte Kritik dagegen entwickeln, Überlegungen zur strategischen Bekämpfung politisch-sozialer Konflikt-Ursachen austauschen – hin zu einer Immunisierung gegen die derzeitige innere wie äußere Militarisierung.
Im Zentrum der Tagung steht die These, dass wesentliche Ursachen in den vorherrschenden ökonomischen Macht- und Regulierungsstrukturen zu suchen sind. Nach den analytischen Beiträgen bleibt für die Schlussrunde die Frage, mit welchen Forderungen wir zur ad-hoc-Entschärfung wie auch zum langfristigem, grundlegenden Wandel hin zu einer friedensfähigen Ökonomie beitragen können.
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1vgl. www.klaus-doerre.de/tag/zangenkrise; Ingar Solty: Die Sechs-Dimensionen-Krise des globalen Kapitalismus und der Ukraine-Krieg in www.dampfboot-verlag.de/de/product/den-frieden-gewinnen-nicht-den-krieg
2www.fr.de/politik/trumps-nato-plan-fuenf-prozent-britischer-minister-gibt-forderung-zurueck-zr-93506045.html
3www.greenpeace.de/frieden/kraeftevergleich-nato-russland
4de.wikipedia.org/wiki/Militärisch-industrieller_Komplex
5vgl. www.telepolis.de/features/Blaupausen-fuer-die-Ukraine-6527247.html
6www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/bundeswehr-2024/556392/kriegstuechtig/
7vgl. Marcus Klöckner: Kriegstüchtig! Mobilmachung an der Heimatfront. www.buchkomplizen.de/buecher-von-fiftyfifty/kriegstuechtig.html
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Organisation und Veranstalter: Organisation – BAG GuK / Mitveranstalter und Unterstützer sind: IPPNW AK Süd-Nord mit Regionalgruppe, attac WÜ, attac Aschaffenburg, DFG-VK Frankfurt, Friedens- und Zukunftswerkstatt Frankfurt, SDS Frankfurt/Main
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Informative (aktuelle und ältere) Verlinkungen:
- ‚It’s the economy, stupid!‘: Ein Spruch macht Geschichte – DiePresse.com
- „Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen“ (Jean Jaurès) – Arbeit-Zukunft
- Kapitalismus und Krieg, Wirtschaft und Gewalt – Wissenschaft & Frieden
- „Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen“
- Kapitalismus und Krieg – »Die Fähigkeit, den Krieg zu spalten, ist uns völlig entglitten« | nd-aktuell.de
- Zum Zusammenhang von Krieg und Kapitalismus: Das Einmaleins der Kriegswirtschaft — der Freitag