Zusammenfassung von Peter Wahl zum EU White Paper „Verteidigungsbereitschaft bis 2030″
und ergänzend eine Auswertung von Alexander Leipold
Link zum Dokument „EU-White-Paper“: https://defence-industry-space.ec.europa.eu/document/download/30b50d2c-49aa-4250-9ca6-27a0347cf009_en?filename=White%20Paper.pdf
PDF-Link zur Zusammenfassung von Peter Wahl: https://perspectac.de/wp-content/uploads/2025/04/Peter-Wahl-zum-EU-White-Paper.pdf
PDF-Link zur Auswertung von Alexander Leibold: https://perspectac.de/wp-content/uploads/2025/04/Alex.-Leibold-Analyse-EU-White-Paper.pdf
Zusammenfassung von Peter Wahl
Zum EU-White Paper für „Verteidigungsbereitschaft bis 2030“
JOINT WHITE PAPER for European Defence Readiness 2030. Hrsg.: HIGH REPRESENTATIVE OF THE UNION FOR FOREIGN AFFAIRS AND SECURITY POLICY. Brüssel, 19.3.2025
1. Dreh- und Angelpunkt des Papiers ist die wahnhafte Behauptung einer umfassenden Bedrohung der kompletten EU durch Russland, militärisch (konventionell wie atomar), sowie unterhalb der militärischen Schwelle durch hybride Kriegführung, Propaganda, Agenten aller Art und Unterwanderung. Dagegen müsse man bis spätestens 2030 eine ausreichende Abschreckung aufbauen. Diese „Bedrohungsanalyse“ reflektiert weitgehend das Weltbild der baltischen Ultras Kallas und Kubilius.
2. Das Paper hat auch China auf dem Kieker. Dazu wird die Konstruktion des Gegensatzes von Auto- und Demokratie bemüht. Als Bedrohung gelten auch Iran und – noch weiter weg – Nordkorea.
3. Es wird ausschließlich in Kategorien militärischer Kräfteverhältnisse gedacht. Diplomatie, Verhandlungen, Rüstungskontrolle oder gar Kooperation auch mittelfristig nach einem Ende des Ukrainekrieges kommen nicht vor. Die Sanktionspolitik wird nicht erwähnt.
4. Stattdessen soll die Ukraine hochgerüstet und zu einem Vorposten der EU gemacht werden. Das läuft auf NATO-light für eine aggressiv revanchistische Ukraine hinaus. Das ist für Moskau – legitimerweise – inakzeptabel. Aber so hofft man, einen Deal zwischen Trump und Putin zu hintertreiben und mit dem russophoben Bedrohungswahn die krisengeschüttelte Wagenburg zusammenzuhalten.
5. Der Kurswechsel der USA wird nur mit äußerst zurückhaltender Höflichkeit und eher am Rande erwähnt. Dabei wird eher selbstkritisch Verständnis dafür geäußert, dass man seit Jahren die Ermahnungen Washingtons zur Erhöhung der Rüstungsanstrengungen nicht ernst genommen hat.
Von der Leyen hat schärfere Formulierungen gegenüber den USA aus dem Paper rausgestrichen (FAZ).
6. Nuklearwaffen kommen nicht vor, obwohl es heute ohne die Atombombe keinen Weltmachtstatus gibt. Grund ist aber nicht eine Ablehnung von Atomwaffen, sondern das Thema ist ein heißes Eisen mit Spaltungspotential. Macron möchte gern die Force de frappe als Ersatz für die sog. nukleare „Teilhabe“ an US-Bomben. Das wollen mindestens Berlin und Warschau nicht, weil es französische Hegemonie in der internen machtpolitischen Hierarchie bedeuten würde.
7. Im Teil mit konkreten Maßnahmen ist sehr bemerkenswert die Selbsbeschränkung auf Koordinierung, Unterstützung und Ermöglichung. „Member States will always retain responsibility for their own troops, from doctrine to deployment, and for the definition needs of their armed forces. Furthermore, the EU will always act in a way that is without prejudice to the specific character of the security and defence policy of certain Member States.“ (Kap 3; S. 5). Mit Ausnahme der 150 Mrd. EU-Anteil an den 800 Milliarden Euro, sowie evtl. zentralisierter Einkäufe von Rüstungsgütern (wie beim Corona-Impfstoff). Im Kern bleibt das Militärische in nationaler Verantwortung und Souveränität.
So gibt es dann auch keinerlei Versuch, die bestehenden supranationalen Strukturen (EU-Generalstab, die gemeinsame Brigade etc.) auszubauen. Die Fans einer „europäischen Armee“ werden enttäuscht sein.
8. Dahinter steckt erstens die realistische Einsicht, dass die Entscheidung über Militärisches und Krieg zum harten Kern von Staatlichkeit gehört, und die wollen viele Mitgliedsstaaten nicht an Brüssel abgeben. Insofern steckt in dem Papier auch etwas integrationspolitischer Realismus.
Dazu passt auch unter der Analyse der Schwächen, und zwar an erster Stelle, die Feststellung der „weakness … to set clear central direction of travel.“Das ist verklausuliert die Tatsache, dass die Hybridkonstruktion aus Staatenbündnis und supranationalen Elementen nicht über die Handlungs- und Problemlösungsfähigkeit eines Nationalstaates verfügt.
Zweitens wird die Tür zur NATO offengehalten, die die eingefleischte Transatlantikerin von der Leyen noch nicht aufgeben will. Sie spekuliert wohl auch darauf, dass Trump Zeitdruck hat und in vier Jahren weg ist.
9. Die Maßnahmen sind stark auf die Rüstungswirtschaft fokussiert. Im Sinne des Draghi-Reports soll vor allem die Rüstungswirtschaft als Faktor gegen den wirtschaftlichen Niedergang mobilisiert werden.
Peter Wahl, 20.3.2025
Auswertung von Alexander Leibold https://perspectac.de/wp-content/uploads/2025/04/Alex.-Leibold-Analyse-EU-White-Paper.pdf
Inhalt
S 1 „Joint White Paper for European Defence Readiness 2030 / ReArm Europe Plan“
S 2 Die EU unter US-Präsident Biden – Planung und Start in die Hochrüstung
S 2 Draghi report, Sept. 2024
S 3 Analyse White Paper „ReArm Europe Plan“ – Maßnahmen und kritische Fähigkeitslücken:
S 4 Waffensysteme zur atomaren Bewaffnung der EU
S 4 Bedrohungsanalyse Greenpeace – Fakten:
5 US Geo-Strategie in Übereinstimmung mit NATO und EU
6 It’s the economy, stupid! ** Rohstoffe und Kapitalverwertung: **